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COVID-19 ein Jakobsweg der anderen Art

Wer mich schon einwenig kennt weiß, dass ich immer dann, wenn ich an einer Grenze unterwegs bin, gerne schreibe. Das hilft mir meine Gedanken und Gefühle zu ordnen und in einer solchen Situation, in der wir heute in Österreich stehen, ist das das erste was mir einfällt. Eine Situation in der Sammlung und Besinnung auf das Wesentliche angesagt ist – ein Jakobsweg der besonderen Art!

Immer wenn ich nicht weiß, was ich jetzt machen soll, zieh ich meine Wanderschuhe an und gehe erst einmal nach draußen in die Natur und vertraue auf das, was ich auf meinen vielen Kilometern der Wanderschaft schon gelernt habe: Wenn du den für dich richtigen Weg finden willst, mach die Augen auf, schau auf und spür was da ist und lass dich von deiner inneren Kraft leiten – und wenn die grad nicht da ist, dann vertrau, dass dir das Leben zeigt wo´s langgeht.

Viele von euch wissen wo ich daheim bin; da beginnt schon einen Meter hinter der Ortstafel das Paradies; ich schlendere so der Sonne entgegen am kleinen Rinnsal durch die Wiese entlang und bin erst einmal sehr dankbar für unseren Gesundheitsminister der mit klaren und unaufgeregten Worten sagt was nun zu tun ist, dabei vergisst er nie ein wertschätzendes und wie mir scheint sehr ehrlich gemeintes DANKE zu sagen.

Weil die Sonne so blendet sind die Augen auf Halbmast und der Atem wird tief. Ich bin damit beschäftigt mir für jene Menschen, die jetzt so vieles entscheiden müssen, viel Kraft und Schutz zu wünschen, als in einem Affentempo, am helllichten Tag nur ca. 30 Meter entfernt, ein Reh über die große Wiese hetzt und steil bergauf im Wald Schutz sucht. Dieses Bild erinnert mich an die Menschen, denen ich heute am Vormittag in der Stadt begegnet bin – nicht rechts, nicht links geschaut; Panik, Eile, Schutz suchend sind sie unterwegs gewesen, mit starrem Blick nach vorn.

Aber dann kommt mit auch das Bild in den Sinn, als heute mein Handy läutet und mich eine mir fremde Stimme begrüßt: „Sonja, hallo ich gebe deinem Papa das Telefon“ in gebrochenem Deutsch mit liebevollem Unterton – mein Papa ist seit fast drei Wochen in Wien in einem Krankenhaus mit einer anderen Erkrankung. Wegen der angespannten Situation wurde er gestern auf eine andere Station verlegt; wir dürfen ihn nicht besuchen und seine Sachen liegen noch auf der alten Station – darum also konnten wir ihn heute am Telefon nicht erreichen. Wie froh bin ich ihn zu hören!!! Papa ich hab dich lieb!… und danke an jene liebevolle Seele, die etwas gemacht hat, das sicher nicht auf ihrer Checkliste gestanden hat.

So nah liegt es beisammen, was wir da in diesen Tagen erleben – worauf wolle wir schauen, was wahrnehmen? Wie schützen wir uns gegen die Angstmacherei ohne Leichtsinnig zu sein? Was stärkt uns in diesen Tagen und was kann ich tun, um Segen zu sein?

Ich darf ein kleines Rädchen in der Hospizbewegung sein und wie froh bin ich, dass wir vom Landesverband Hospiz einen Tag bevor der ganze Wahnsinn bei uns in Österreich losgegangen ist, noch eine Kabarettveranstaltung mit 450 Besuchern hatten. Gerry Seidl hat uns Medizin in Hülle und Fülle geschenkt indem wir miteinander ein paar Stunden herzhaft gelacht haben. Womöglich hatte jemand von uns 450 Personen das Coronavirus schon übertragen, aber ich bin sicher es konnte gegen die Kraft, die durch dieses miteinander lachen entstanden ist, nichts anrichten. Diese 450 Menschen, die dabei waren, sind Menschen, die im Sinne der Hospizbewegung von einer Haltung getragen werden, die den Blick auf die Lebensqualität öffnet, egal was gerade ansteht. Darüber hinaus weiß ich mich in dieser Bürgerbewegung eingebunden, wo noch viel, viel mehr Menschen mit einer hospizlichen Grundhaltung durchs Leben gehen. Ich glaube, dass jene Menschen aus der Hospiz- und Palliativversorgung, gerade deswegen gebraucht werden, weil wir es gewohnt sind in Grenzsituationen standzuhalten. Wir sind es gewohnt mit den vorhandenen Ressourcen so viel Lebensqualität wie möglich herauszuholen. Wer, wenn nicht wir, trägt die Hoffnung mit einem klaren Blick auf die Realität zu den Menschen. Mit viel Kreativität, Unerschrockenheit und guter Laune werden wir den Menschen in unserem Umfeld begegnen. Vielleicht werden wir in den nächsten Tagen viel telefonieren, Briefe schreiben und uns Gutes tun, denn nur wer selber gut auf sich schaut kann anderen Menschen eine Hilfe sein.

Also schaut gut auf euch –
Ich umarme euch in Gedanken
Sonja